Moin
Gleichwohl als Argument vielfach vorgebracht wird, dass die Kosten für einen LNG-Bezug teurer als für den jetzigen Pipelinebezug sind, ist nicht sicher vorhersehbar, wie sich die Preise zukünftig entwickeln werden. Darüber hinaus dürfte nach unserer Einschätzung jede alternative Gasbezugsquelle positive Auswirkungen auf Verhandlungen mit Deutschlands Haupt-Gaslieferanten haben, zumal die Preise von LNG und einem gasförmigen Bezug getrennt zu betrachten sind und LNG für ein Gelingen der Verkehrswende im straßengebundenen Güterverkehr unverzichtbar sein wird.
Auf der einen Seite ist eine Diversifizierung immer gut, wenn man also auf verschiedene Quellen zugreifen kann. Das hilft nicht nur bei Preisverhandlungen, sondern auch bei der Versorgungssicherheit.
Allerdings darf man nicht vergessen, dass LNG prinzipiell teuerer sein muss als Pipelinegas. Der Energieaufwand zum Verflüssigen von Erdgas auf unter -160°C ist gewaltig, 10-25% des Energiegehalt des Heizwertes. https://www.energie-lexikon.info/fluessigerdgas.html Auch ist der CAPEX einer Verflüssigungsanlage sehr hoch. LNG ist vor allem eine Alternative für Länder, die sehr weit von Erdgasförderstätten liegen (z.B. Japan), wo nur LNG eine brauchbare Alternative ist, weil der Pipelinetransport unabhänig von der Frage der Transitrechten (Stichwort von Katar über Syrien nach Europa) schlicht exergetisch zu teuer ist (Druckverluste bei mehr als 2500 Transportreichweite).
Bisher wurde Europa mit Gas aus NL, GB, NO sowie aus RU versorgt. Seit dem Mannesman-Röhren-Deal haben die Russen sich als zuverlässige Partner gezeigt, die selbst zu den höchsten Phasen des Kalten Krieges nie die Versorgung eingestellt haben. Selbst als es die Gaskrise zwischen Russland und dem Transitland Ukraine kam, hat meines Wissens Gasprom dafür gesorgt, dass die vertraglichen Lieferversprechungen eingehalten wurden: rückwärtige Versorgung, indem Mengen im Westen zugekauft wurden und dem Partner zur Verfügung gestellt wurden.
Nordsteam kann 55 Mrd. Kubikmeter Gas liefern, Nordstream 2 soll diese Kapazität verdoppeln.
https://de.wikipedia.org/wiki/…zit%C3%A4t_und_Auslastung
Deutschland braucht knapp 100 Mrd Kubikmeter Gas (907 TWh = 13900 PJ*23,5%), ein Großteil wird also weitergeleitet.
In Westeuropa gibt es einige Import-Terminals (hellblaue Punkte zeigen die Verdampfungsanlagen) https://www.entsog.eu/sites/de…_A0_1189x841_FULL_064.pdf Es wäre interessant zu wissen, wie die Auslastung dieser Terminal aussieht.
Den Nutzen von LNG für Deutschland sehe ich vor allem in seiner flüssigen Form als Treibstoff für Langstreckentransporte per Flugzeug, LKW, Schiff etc. und weniger in der Einspeisung in des Erdgasnetz um als Gas genutzt zu werden. Dies wird ja auch oft ohne eine Entspannungsturbine gemacht, um die Exergie der tiefkalten Flüssigkeit wiederzugewinnen.
Daher bin ich noch etwas unschlüssig, ob durch einen Investzuschuss auf den Netzanschluss eine Verdampferanlage angereizt werden sollte, ich sehe die Möglichkeit, dass dann in einigen Jahren die Installation nur schlecht ausgelaustet ist. Im Falle eines Versorgungsengpasses von Osten könnte man ja immer noch per rückwärtiger Versorgung die bisherige Gasflussrichtung Russland -> Osteuropa -> Deutschland -> westliches Europa umkehren und über die bestehenden Gasterminals in Westeueropa vergastes LNG beziehen.
Ich bin ziemlich sicher, dass der Gasverbrauch (hauptsächlich für den Wärmesektor) durch bessere Dämmung und besseren PEF durch KWK-Wärme (ca. 0,5) runter gehen wird. Der Trend wurde ja auch von der AG Energiebilanzen bestätigt. Auch die KWK wird zwar in der Leistung zunehmen, aber weniger stark mit dem Energiedurchsatz.
Wenn es ein Investor ein Businessmodell darin sieht, LNG zu importieren und dafür ein Terminal in Deutschland bauen will, soll er das gerne machen, um das unternehmrische Risiko aufzunehmen. Gegen das volkswirtschaftliche Risiko, dass Gasprom uns politisch motiviert den Hahn zudreht (halte ich für gering, weil die Russen unser Geld genauso nötig haben wir das Gas: stetige Handelsbeziehungen zum beiderseitigen Nutzen verringern zudem das Risiko eines hochkochenden politischen Konfliktes), haben wir die Option der rückwärtigen Versorgung - hier wäre es zur Einschätzung gut, wie groß die freien Kapazitäten [1] bei den bestehenden Importterminals sind. Wenn da noch Luft ist, könnte man doch diese Nutzen, und flüssiges LNG als Treibstoff kann man auch über die Rheinschiene über Rotterdam beziehen.
Zur Frage nach dem Fracking-Boom in den USA und den Überschüssen, die zum Export geeignet sind: Art Berman - Shale Plays Have Years, Not Decades of Reserves https://www.youtube.com/watch?v=5Ae1fg44l7E
https://www.postcarbon.org/publications/drillingdeeper/
Ich schließe mich der Überzeugung an, das ein Grund für den Shale-Boom in den USA war, dass sich das Kapital von der Wallstreet eine Parkposition gesucht hat. Offenbar leben die Fracking-Unternehmen nicht davon, dass sie Gas und Öl verkaufen, sondern Unternehmensanteile, deren Wert mit Bohrlöchern und Bohrrechten begründet wird, die nicht unbedingt einen positiven Cash Flow bei Vollkostenrechnung zeigen.
Gruß
Gunnar
[1] Freie LNG-Kapazitäten zu unterschiedlichsten Tarifen, E&M, 2017-11-15, S. 37: Die Studie „A Glimpse at the Lands-cape of European LNG Regasification Infrastructure” zeigt, dass die Kapazitäten 2016 im Schnitt lediglich zu 27 Prozent ausgelastet waren." http://www.teamconsult.net/new…edlichsten_EM_22_2017.pdf