Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Detail

Bundestag, Reichstagsgebäude (Foto: Mcschreck)
Bundestag, Reichstagsgebäude (Foto: Mcschreck)

Welche Regelungen das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ konkret enthält, möchten wir nachfolgend gerne erläutern. Insbesondere, da in den Medien häufig nur sehr verkürzt über die Regelungen berichtet wird, aber die Nichteinhaltung bestimmter inhaltlicher Anforderungen fatale Folgen haben kann. Sollten Sie von einer der nachfolgend dargestellten Erleichterungen Gebrauch machen wollen, sollten Sie zuvor unbedingt die entsprechende Regelung im Volltext in Ruhe nachlesen. Sie finden die relevanten Normen in Artikel 240 EGBGB ab Seite 44 im verlinkten PDF. Sie können zudem die ausführliche Gesetzesbegründung im Informationssystem des Bundestages einsehen. Die nachfolgende Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit, erfolgt ohne Gewähr und kann eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen.

Moratorium für Verbraucherverträge und Kleinstunternehmen

Verbraucher dürfen sich entsprechend Artikel 240 § 1 EGBGB zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 unter bestimmten Voraussetzungen weigern, Abschläge und Rechnungen aus Dauerschuldverhältnissen des täglichen Bedarfs zu leisten, ohne dass ihnen daraus Konsequenzen drohen. Unter anderem dürfen keine Versorgungssperren oder andere Zwangsmaßnahmen wie Vollstreckungen oder Inkassobüroeinschaltungen durch die Versorger ergriffen werden. Zu den ausgesetzten Zahlungspflichten gehören Forderungen aus Versorgungsverträgen für Strom, Gas, Fernwärme, Internet und Telefon sowie auch Wasser und alle weiteren „Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge“. Folgende fünf Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit von der durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ geschaffenen Regelung nach Artikel 240 § 1 EGBGB Gebrauch gemacht werden kann:

  1. Der Verbraucher erleidet aufgrund der Corona-Krise Einnahmeausfälle.
  2. Der Verbraucher kann seinen Lebensunterhalt, den Lebensunterhalt ihrer Familie oder ihre Unterhaltspflichten für Familienangehörige aufgrund dieser Einbußen nicht mehr angemessen bestreiten.
  3. Es handelt sich um einen Vertrag zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge.
  4. Der Vertrag, für den die Zahlungen ausgesetzt werden sollen, wurde vor dem 8. März 2020 geschlossen.
  5. Der Verbraucher erklärt dem Versorger beziehungsweise Vertragspartner, dass er vom Leistungsverweigerungsrecht nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ Gebrauch macht und die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Der Versorger beziehungsweise der Anbieter kann die Zahlungsverweigerung jedoch zurückweisen und seinerseits den Vertrag kündigen, wenn er dadurch in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht wird. Im Fall von Energieversorgern wie Konzernen oder Stadtwerken sowie Wohnungsbaukonzernen ist dies in der Regel nicht anzunehmen. Im Fall der Versorgung durch einen sehr kleinen Akteur wie einem privaten Vermieter oder den Betreiber eines Mieterstromprojektes kann dies im Ausnahmefall jedoch möglich sein. Diese Regelung dürfte im Nachgang der Krise für erhebliches Streitpotenzial sorgen, da sich mit dieser Argumentation Anbieter aus unrentablen Verträgen zu befreien versuchen könnten.


Neben Verbrauchern unterfallen gemäß Artikel 240 § 2 EGBGB auch Selbstständige und andere „Kleinstunternehmen“ mit bis zu 9 Angestellten und 2 Mio. Euro Jahresumsatz diesen Erleichterungen, wobei für diese keine Einschränkung auf Verträge „der angemessenen Daseinsvorsorge“ sondern auf Verträge „zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs“ besteht (Punkt 3 oben). Für Selbstständige und Kleinstunternehmer kommt daher grundsätzlich auch eine Aussetzung beispielsweise von Versicherungsprämien oder Wartungsvertragskosten in Betracht. Erfasst werden von dieser Regelung auch die Betreiber von Stromerzeugungsanlagen und Mieterstromprojekten.


Ganz wichtig: Bei diesen Regelungen handelt es sich um ein „Moratorium“ und nicht um einen Erlass der Forderung. Der Zahlungsaufschub soll es Verbrauchern und Kleinstunternehmen lediglich ermöglichen, das für die Zahlung benötigte Geld aufzutreiben. Dafür können beispielsweise Anträge für Arbeitslosengeld, Wohngeld, Grundsicherung oder einen Kindergeldzuschlag sowie Kreditprogrammen für Unternehmen gestellt werden. Die Regelungen sollen vermeiden, dass in der Zwischenzeit eine Versorgungssperre erfolgt oder Selbstständige und Kleinstunternehmen ihren Betrieb aufgeben müssen. Alle ausgesetzten Zahlungen müssen der aktuellen Regelung zu Folge bis spätestens zum 30. Juni 2020 vollständig nachgeholt werden. Diese Frist kann von der Bundesregierung später gegebenenfalls bis maximal zum 30. September 2020 verlängert werden. Mahngebühren oder Verzugszinsen dürfen in der Zwischenzeit nicht berechnet werden.

Sonderfall „Versorgungssperren“

Angesichts der Coronavirus-Pandemie haben zahlreiche große Energieversorger bereits in den letzten Wochen angekündigt, auf Energiesperren gegen säumige Verbraucher zu verzichten und auch die Wiederaufnahme der Versorgung bei bestehenden Sperren vorzunehmen. Eine Sperre ist entsprechend § 19 StromGVV/GasGVV sowie § 33 AVBFernwärmeV auch unabhängig vom neuen „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ nur dann zulässig, wenn sie „verhältnismäßig“ ist. In Anbetracht der COVID-19-Pandemie sind Versorgungssperren derzeit beinahe ausnahmslos unverhältnismäßig und damit unrechtmäßig. Zahlreiche große Versorgungsunternehmen wie E.on, Innogy und EnBW haben bereits angekündigt, auf die Vornahme von Versorgungssperren zu verzichten.

Mietkündigungssperre

Vermieter dürfen Mietern für zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 ausgefallene Miet- und Pachtzahlungen aus diesem Grund bis zum 30. Juni 2022 keine Kündigung aussprechen. Auch dieses Zeitfenster kann von der Bundesregierung später gegebenenfalls für ausgefallene Zahlungen bis maximal zum 30. September 2020 verlängert werden. Folgende Voraussetzungen aus Artikel 240 § 2 EGBGB müssen dafür erfüllt sein:

  1. Mieter beziehungsweise Pächter haben aufgrund der Corona-Krise Einnahmeausfälle.
  2. Die betroffenen Mieter beziehungsweise Pächter können aufgrund dieser Einbußen die Mietzahlung nicht leisten.
  3. Die betroffenen Mieter beziehungsweise Pächter erklären ihrem Vermieter, dass sie vom Kündigungsschutzrecht nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ Gebrauch machen, die Voraussetzungen dafür erfüllt sind und übersenden Nachweise oder eine Versicherung an Eides Statt, um dies zu belegen.

Ganz wichtig: Bei dieser Regelung handelt es sich nur um eine Kündigungsschutzklausel und keinen allgemeinen Zahlungsaufschub! Mieter sind weiterhin „zur Zahlung verpflichtet“ und können bei ausbleibenden Zahlungen ganz regulär in Verzug geraten. Auch Mahn- und Inkassokosten dürften daher rechtmäßig anfallen. Zudem müssen für die Wirksamkeit des Kündigungsschutzes die Nachweise, dass die Nichtleistung auf der COVID-19-Pandemie beruht, beim Vermieter oder Verpächter eingehen. Die Zahlung muss zudem vor Ablauf des 30. Juni 2022 nachgeholt werden. Geht die Zahlung nicht bis zum Ablauf der Frist beim Vermieter ein, kann der Vermieter außerordentlich fristlos oder auch ordentlich die Kündigung des Mietverhältnisses erklären!

Stundung für Verbraucherdarlehen

Auch für Darlehenszahlungen beispielsweise für ein Haus, eine energetische Sanierung oder einen gewöhnlichen Verbraucherkredit hat der Gesetzgeber mit Artikel 240 § 3 EGBGB eine Erleichterung bis zum 30. Juni 2020 geschaffen, die jedoch ausschließlich für private Verbraucher (§ 491 BGB) und nicht für Kleinstunternehmen gilt.

  1. Der Darlehensnehmer erleidet aufgrund der Corona-Krise Einnahmeausfälle.
  2. Die Erbringung der geschuldeten Leistung ist dem Darlehensnehmer aufgrund dieser Einbußen nicht möglich. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Darlehensnehmer im Fall der Leistung seinen Lebensunterhalt, den Lebensunterhalt seiner Familie oder den von Familienangehörigen, für die Unterhaltsverpflichtungen bestehen, nicht mehr angemessen bestreiten kann.
  3. Der Vertrag, für den der Darlehensnehmer die Zahlungen aussetzen möchte, wurde vor dem 15. März 2020 geschlossen.
  4. Der Darlehensnehmer erklärt seinem Kreditgeber, dass er vom Stundungsrecht nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ Gebrauch machen möchten und die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Der Kreditgeber muss dem Darlehensnehmer sodann ein Gespräch zur einvernehmlichen Lösung anbieten. Kommt keine Lösung zustande, bleibt der Betrag dauerhaft gestundet und der Kreditvertrag verlängert sich um die entsprechende Zeit. Die Regelungen sind im Detail jedoch deutlich komplexer als bei den Regelungen zum Moratorium von Versorgungsverträgen sowie Mietkündigungen, sodass wir Sie bitten, im Zweifelsfall im verlinkten Gesetzestext beziehungsweise der Gesetzesbegründung nachzuschlagen.

Schlussbemerkung

Wir hoffen, dass Ihnen diese Übersicht eine Hilfe ist. Bitte beachten Sie jedoch, dass diese Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit erhebt, ohne Gewähr veröffentlicht wird und eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann. Das Team der ProsumerNEWS und auch der Vorstand vom BHKW-Forum e.V. hoffen, dass Sie von den Auswirkungen der aktuellen Krise weitestmöglich verschont bleiben und wünschen Ihnen alles Gute sowie beste Gesundheit – insbesondere, aber nicht nur für die kommenden Wochen und Monate. 1230cc408e1f49868e76786e3dd5f223

Kommentare 1