Thesen zu Brennstoffzellen in Europa - Studenten der TU Dortmund

  • Sehr geehrte Damen und Herren,


    wir sind eine Gruppe von fünf Studenten der Wirtschaftswissenschaften (Master) an der Technischen Universität Dortmund. Im Rahmen des Seminars "Future Technologies" am Lehrstuhl für Dienstleistungs- und Technologiemanagement haben wir uns in den letzten Monaten mit den Chancen und Risiken der Brennstoffzelle auf dem europäischen Markt (Deutschland,Schweiz und Österreich ausgeschlossen) beschäftigt.


    Wir haben als Ergebnis unserer bisherigen Untersuchungen fünf zentrale Thesen/Aussagen/Fragen aufgestellt, zu welchen wir gerneIHRE Meinungen hören würden. Wir würden uns freuen, wenn Sie zu den unten stehenden Thesen kurz Stellung beziehen könnten und uns Ihre Sichtweise schildern würden. In Ihrer Runde ist natürlich Frage 5 von besonderer Relevanz, wir würden uns aber auch über Meinungen bezüglich der anderen Fragen freuen.


    1) „Fehlende europaweite Wasserstoff-Infrastruktur könnte die Marktetablierung von BSZ negativ beeinflussen.“


    2) „Viele Produkte mit BSZ sind technisch ausgereift, aber die fehlende Nachfrage verhindert den Markteintritt.“


    3) „Wenig Kenntnis der Bevölkerung über BSZ verhindert eine aktive Nachfrage. Kann eine politische Aufklärung die Nachfrage steigern?“


    4) „Setzen sich BSZ-Autos kurz- bis mittelfristig am Markt durch?“


    5) „Setzen sich BSZ-Systeme zur Energie- und Wärmeversorgung von Häusern und öffentlichen Gebäuden kurz- bis mittelfristig am Markt durch?“


    Wir freuen uns auf spannende Meinungen und Diskussionen.


    Vielen Dank im Voraus und Grüße aus Dortmund!


    TUDortmund

  • In Ihrer Runde ist natürlich Frage 5 von besonderer Relevanz, wir würden uns aber auch über Meinungen bezüglich der anderen Fragen freuen.

    Hallo TU Dortmund,


    ich versuch's mal, für was es wert ist:

    1) „Fehlende europaweite Wasserstoff-Infrastruktur könnte die Marktetablierung von BSZ negativ beeinflussen.“

    Soweit wir von reinen H2-BSZ sprechen, klar. Das ist aus meiner Sicht im Verkehrssektor der Fall, da haben wir ein echtes Henne/Ei-Problem. Benötigt wird hier massive politische Unterstützung, aber auch ein Engagement der interessierten (Auto-)Firmen, um ein europaweites Netz von H2-Tankstellen herzubringen, sonst wird das nie was.


    Im BHKW-Bereich sehe ich das wesentlich entspannter, weil die Hersteller hier sinnvollerweise mit Erdgas arbeiten, das dann im Gerät zu H2 reformiert wird. Die Erdgas-Infrastruktur steht und kann genutzt werden, um die BSZ-Technologie breit zu etablieren. (Soweit ich weiß ist es außerdem technisch möglich, den H2-Gehalt im Erdgas auf 5-10% zu erhöhen, ohne dass die Sicherheit im Netz oder die angeschlossenen Verbraucher beeinträchtigt werden. Auf diese Weise kann man eines Tages einen Haufen Windkraft in H2 umwandeln und direkt einspeisen, ohne den aufwändigen zweiten Schritt der Power-to-Gas Technologie erstmal überhaupt einsetzen zu müssen.) Das gibt uns jedenfalls Zeit, BSZ-Technologie in breitem Rahmen marktgängig zu machen.


    Ich persönlich glaube nicht daran, dass es jemals ein breit verzweigtes Wasserstoffnetz parallel zum Erdgasnetz geben wird. Eher wird man eines Tages das Erdgasnetz auf H2 umstellen. Ich glaube aber, das wird mindestens noch 30-50 Jahre dauern. Vielleicht gibt es bis dahin auch noch andere Alternativen.

    2) „Viele Produkte mit BSZ sind technisch ausgereift, aber die fehlende Nachfrage verhindert den Markteintritt.“

    Also mir als Konsument fallen aus dem Stand überhaupt keine BSZ-Produkte ein, die ich auch nur im Ansatz als "technisch ausgereift" betrachten würde (ich rede jetzt nicht von militärischen Anwendungen, Luft- und Raumfahrt etc.). Bis heute gibt es z.B. kein einziges BSZ-getriebenes Serienauto. BSZ-BHKW's sind mal gerade ein halbes Jahr am Markt, derzeit noch abartig teuer und mit Sicherheit nicht ausgereift. Den technischen Stand und auch die Marktsituation der BSZ-Technologie würde ich bestenfalls mit dem der Photovoltaik Anfang der 90er vergleichen. Da war das was für Freaks, Tüftler und Optimisten. Das Beispiel zeigt auch, wie schnell es dann mit entsprechendem politischem Rückhalt bis zur breiten Markteinführung gehen kann, aber heute sind wir jedenfalls noch weit davon entfernt.

    3) „Wenig Kenntnis der Bevölkerung über BSZ verhindert eine aktive Nachfrage. Kann eine politische Aufklärung die Nachfrage steigern?“

    "Politische Aufklärung" allein bringt überhaupt nichts. Was wir für eine breite Einführung von BSZ-Geräten brauchen, sind zwei Dinge:


    a) Ein breiteres Angebot von für den Durchschnittsbürger verfügbaren bezahlbaren Geräten, die wenigstens einigermaßen funktionieren und - wenn sie das einmal nicht tun - von den Herstellern großzügig und möglichst stressfrei repariert oder ausgetauscht werden. Die "Aufklärung" muss von den Anbietern kommen und von den Medien, sicher auch von der Werbung (Aufmerksamkeit erregen), nicht in erster Linie von der Politik.


    b) Eine wirkungsvolle Förderung, damit über steigende Stückzahlen die Lernkurve losgetreten werden kann. Dafür müssen zum Einen die Hersteller über einige Jahre hinweg die Verkaufs- und Servicepreise subventionieren, d.h. Verluste einkalkulieren. Zum Anderen bräuchten wir finanzielle Förderung in irgendeiner Art für die Verbraucher- Letzteres müsste von der Politik kommen.

    4) „Setzen sich BSZ-Autos kurz- bis mittelfristig am Markt durch?“

    Kurzfristig nein.


    Mittelfristig wohl als erstes in Nischen, wo hohe km-Leistung und regionaler Einsatzbereich zusammentreffen: Taxi, Stadtbusse, Lieferverkehr (Post- und Paketdienst) etc., also Fahrzeuge die sich - bei noch mangelhafter Infrastruktur - zentral aus einer Zapfstelle versorgen können. Sowie wohlhabende Pioniere unter den Konsumenten, d.h. Leute, die sich heute z.B. einen Tesla kaufen würden.


    Mittel- bis langfristig ja, weil BSZ-Autos als einzige derzeit verfügbare alternative Technologie eine den heutigen Autos vergleichbare Reichweite und Leistung bieten, und (eine funktionierende H2-Infrastruktur vorausgesetzt) eines Tages zu 100% und ohne Mengenbegrenzung mit regenerativem Kraftstoff versorgt werden können. Letzteres ist z.B. bei Biofuel nicht der Fall, weil die Ressourcen begrenzt sind.

    5) „Setzen sich BSZ-Systeme zur Energie- und Wärmeversorgung von Häusern und öffentlichen Gebäuden kurz- bis mittelfristig am Markt durch?“

    Kurzfristig auch nein, aber mittelfristig ja, und zwar sehr viel früher als BSZ-Autos: Natürlich erstmal auf Erdgas-Basis (siehe meine Ausführungen oben). Ich persönlich halte es für möglich, dass schon in zehn Jahren jedes konventionelle BHKW, wenn es kaputt geht, durch ein BSZ-Gerät ersetzt wird. Sobald BSZ-Geräte verfügbar sind, die sich einigermaßen rechnen und einigermaßen stabil funktionieren, und wenn positive (!) Erfahrungen über die Haltbarkeit der Stacks vorliegen (bis jetzt m.E. die große Unbekannte), werden sie nach meiner Erwartung sowohl konventionelle BHKW's als auch konventionelle Heizungen vom Markt verdrängen.


    Gruß,
    Sailor

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)

  • Kompliment!

    Hi Valerian,


    Danke! :imsohappy:


    Gruß, Sailor

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)

  • Ich wundere mich noch immer, wo die Technik eigentlich bleibt.
    Man hört jetzt seit Jahren davon, dass langfristig wohl der Wasserstoff sämtliche Energieprobleme dieser Welt lösen würde. (um es jetzt mal etwas überspitzt zu formulieren)


    Soweit ich die Grundlagen jetzt richtig verstanden habe, ist der Rohstoff günstig und in rauen Mengen herstellbar, nur die Technologie sei bisher noch nicht ausgereift. Deswegen blieb es ja bisher gerade im Automobilsektor bloß bei Studien und es kam nie zu irgendeiner Serienentwicklung.


    Aber irgendwann, so scheint mir, müsste es doch bedeutende Fortschritte gegeben haben die die BSZ zur Marktreife bringen.

  • Moin

    Deswegen blieb es ja bisher gerade im Automobilsektor bloß bei Studien und es kam nie zu irgendeiner Serienentwicklung.

    der HONDA FCX ist keine Studie mehr - zumindest hat er sich beim probefahren wie ein Serienauto angefühlt. Nur ist der Markt noch nicht bereit - Aussage Honda.


    Grüße

  • Ich habe kürzlich gelesen (ich meine von der IBZ), dass die Brennstoffzelle fürs Auto und für die Heizung jetzt Marktreif sein soll. Es fehlt danach aber an Einführungskonzepten. Also bei Auto an Tankstellen und bei der Heizung an der Massenfertigung und damit der Preisreduktion. Der Schluss daraus war, dass der Staat Förderungen zahlen sollte.