Tabula Rasa im EFH - jetzt BSZ oder nicht?

  • So Freunde der Nacht,

    es wird Zeit, nicht nur in Eurem gesammelten Wissen herumzuwursteln, sondern Euren Grips gezielt anzuzapfen! Ich habe schon eine Weile hier herumgeschnüffelt, bevor ich gerade den Nutzer angelegt habe, um zu Äußersten zu schreiten und Rat zu suchen... 8)


    Wir haben vor ca. 2 Wochen ein EFH gekauft, in dem wir energetisch bei 0 anfangen dürfen. Ich persönlich fand die Idee, eine BSZ einzubauen unheimlich schlau, kann aber den (mehr oder weniger) objektiven Sinn der Maßnahme noch nicht beurteilen. Der Standard-Fragebogen macht nur bedingt Sinn, weil wir die Immobilie ja noch gar nicht selbst bewohnen (Voreigentümer sind verstorben, die kann man auch nix mehr fragen X/ ) aber ich lege die Antworten hier gerne mal vor:


    Immobilie:

    Beheizte Fläche, Anzahl Bewohner: 136m², später mit Dachboden 186m², heute 2, hoffentlich bald 3 oder 4 Bewohner

    Art und Baujahr der Immobilie: 1937 Massivbauweise mit Ziegeln (48er Mauerwerk), freistehendes, unterkellertes EFH mit Anbau (1 Zimmer je Geschoss, ohne Keller) aus den 1960ern

    Erfolgte Modernisierungen: nix :S

    Weitere geplante Modernisierungen: alles - wir haben gerade einen ISFP mit dem Energieberater gemacht. Dach ist wohl dringend, Fenster & Fassade empfohlen (aber teuer!)

    Zweiter Abgasstrang für BHKW frei: Hä? Wir haben einen Kamin von der bestehenden Ölheizung

    Erdgasanschluss vorhanden oder möglich: nicht vorhanden, kommt aber

    Zusammenschluss von Nachbarhäusern möglich: nein


    Derzeitige Heizung:

    Energieträger der Heizung: Öl

    Alter und Typ der der Heiztechnik: Ölbrenner, 17,5kW aus 1990, neuer Brenner von 2017

    Ist bereits eine Solarthermie vorhanden: nein, empfiehlt der Energie-Onkel aber

    Vorhandener Heizungspufferspeicher und Größe: nix

    Art der Warmwasserbereitung und Vorratsvolumen: wohl über Heizung, habe ich aber noch keine Info drüber (habe im Keller keinen Pufferkessel gefunden)

    Gibt es ein besonderes Strom-/Wärmeverbrauchsverhalten: perspektivisch 1 oder 2 E-Autos

    Hydraulischer Abgleich durchgeführt: ich unterstelle mal, dass nein

    Temperaturen der Heizkreise: momentan 70° C?Art der Heizkörper: Rippenheizkörper, teilweise unter Fensterbänken, Austausch vorgesehen, evtl. auf Fußbodenheizung



    Verbrauchsdaten

    Jährlicher Stromverbrauch: schwierig: in 100m² Mietwohnung ohne Allgemeinstrom oder Garten ca. 2500 kWh, zukünftig im EFH daher geschätzt 3.500 kWh

    ohne Kinder (pro Kind plus 1.000kWh/a?) oder E-Autos (jeweils plus 1.000 kWh/a?)

    Jährlicher Brennstoffverbrauch: keine Ahnung, der Tank fasst 4.800l. Der Energie-Onkel kam auf rechnerisch ca. 3.750l/a.




    Der springende Punkt ist nun der:

    Ich hatte dieselbe Idee wie schon einige andere im Forum: in alten Immobilien nicht ganz so auf die Dämmung achten und (u.a. mittels E-Autos) auf konstante Abnahme der Leistung der BZ bauen. Dass das nur bedingt sinnvoll zu sein scheint, habe ich gesehen, aber ich war überrascht: die Excel-Tabelle (sehr beeindruckend, vielen Dank!) sieht gut aus für unseren Fall, oder wie sehe ich das?!?! :/:/:/ Mich verunsichert, dass der Energie-Onkel auf meine Hinweise NULL eingegangen ist. Ich habe im Sanierungsfahrplan keine Brennstoffzelle - haben die zu wenig Erfahrung mit den Dingern? Sind ja (noch) nicht so verbreitet...


  • Moin,


    vorab: Die Tabelle stammt offenbar aus einem älteren Beitrag und ist unter verschiedenen Aspekten nur noch eingeschränkt brauchbar. Ich füge hier ein aktualisiertes Exemplar bei, welches ich nach bestem Wissen mit Deinen Daten gefüllt habe.


    Ein Knackpunkt bei der Berechnung ist Zeile 67 (in Deiner alten Tabelle Zeile 50). Aus den letzten Diskussionen lernend habe ich hier nunmehr den Verbrauch der (ggf. als Alternative anzuschaffenden) neuen Gastherme eingesetzt. Begründung: In der Tabelle unten Zeile 86 wird – neben der Förderung – auch die (beim Kauf einer PT2 eingesparte) Investition in eine neue Therme als Gutschrift berücksichtigt. Die allein durch Erneuerung des Wärmeerzeugers erzielbare Einsparung beim Verbrauch wird so oder so realisiert und ist daher für die Frage, ob sich an Stelle der neuen Gastherme eine PT2 lohnt, ohne Belang.


    Davon ab würde ich Dir aber raten, erst mal nichts zu überstürzen. Die alte Heizung wird jedenfalls noch ein Jahr oder so halten, und bis dahin müsstest Du verlässliche Daten zum tatsächlichen Stromverbrauch im neuen Haus haben. Von dem so ermittelten Ist-Verbrauch solltest Du dann noch mal 200 kWh/Jahr abziehen, die sich voraussichtlich beim Ersatz der alten Heizpumpe einsparen lassen. Nur aufgrund verlässlicher Zahlen zum Stromverbrauch lässt sich sagen, ob eine Brennstoffzelle in Eurem Fall überhaupt Sinn macht.


    Mit der bisherigen Schätzung würde ich (auch unter Berücksichtigung des E-Autos) sagen nein: Der geschätzte Stromverbrauch liegt mit ca. 3.500 kWh unter dem Bereich, wo eine PT2 normalerweise wirtschaftlich betrieben werden kann. Das E-Auto hilft etwas, aber die Tabelle zeigt, dass es auch mit dem möglichen Beitrag des E-Autos knapp wird.

    Ist bereits eine Solarthermie vorhanden: nein, empfiehlt der Energie-Onkel aber

    Eine Solarthermie ist mit einer Vitovalor-Brennstoffzelle technisch unverträglich. So lang nicht klar ist, ob Ihr Euch womöglich doch eine Brennstoffzelle anschafft, hat es keinen Zweck eine ST aufs Dach zu legen. Ohne BZ – z.B. um bei einer Gastherme Erdgas zu sparen – kann eine ST mit 6 qm oder so nur für den Warmwasserbedarf eine gute Sache sein. Aber an Stelle einer Hybridheizung mit einer großen ST zur Heizungsunterstützung, die nach Förderungsbedingungen min. 25% der Jahresheizleistung abdecken muss, würde ich immer zumindest prüfen, ob an Stelle der ST nicht eine PV-unterstützte Wärmepumpe als Ergänzung zur Gastherme (oder sogar monovalent) die bessere Wahl ist. Und wenn der Platz auf dem Dach begrenzt ist, ist im Zweifel eine PV-Anlage besser als eine ST-Anlage.

    in alten Immobilien nicht ganz so auf die Dämmung achten und (u.a. mittels E-Autos) auf konstante Abnahme der Leistung der BZ bauen.

    Der Wärmebedarf ist für eine Brennstoffzelle in weiten Grenzen egal - so richtig eng wird es erst bei einem Gesamtwärmebedarf unter 10.000 kWh. Da seid Ihr meilenweit davon weg. Der wichtigste Faktor für die Wirtschaftlichkeit einer BZ ist der Eigenverbrauch des erzeugten Stroms, bzw. die dadurch erzielbare Einsparung von teurem Bezugsstrom.


    So lang mehrere Alternativen zur Heizungserneuerung in der Diskussion sind, würde ich zunächst alle wirtschaftlich vertretbaren Maßnahmen zur energetischen Sanierung des Gebäudes ausschöpfen – vor allem in Fällen, wo die alte Heizungsanlage nicht aus technischen Gründen sofort zur Erneuerung ansteht.


    Dass der "Energie-Onkel" eine Brennstoffzelle nicht in Betracht gezogen hat, liegt einfach daran, dass die Erzeugung von Strom nicht in seinen Aufgabenbereich fällt. Eine BZ spart (ebenso wie eine PV-Anlage) nun mal vor Ort keine einzige Kilowattstunde – nicht mal Strom, geschweige denn Wärme. Die Aufgabe des "Energie-Onkels" ist ausschließlich, Wege zur Einsparung von Energie aufzuzeigen, insbesondere beim Wärmeverbrauch.


    Gruß, Sailor

  • Moin,

    meinen allerherzlichsten Dank für die schnelle Rückmeldung - inhaltlich hat mir Dein Beitrag schon einen ganzen Strauß an Fragen beantwortet.


    Ein wenig enttäuscht bin ich von dem "Energie-Onkel" (nicht despektierlich gemeint!) übrigens trotzdem: ich hatte ihn bei mehreren Vorgesprächen über unsere Erwägungen bzgl. BZ informiert und ausdrücklich auf meine Erwartung hingewiesen, dass er uns den Einsatz plausibilisieren würde, habe aber immer nur ein "mal sehen" geerntet. Er scheint nicht gut darin zu sein, seinen Arbeitsbereich zu erläutern, sonst hätte ich das Thema BZ schon deutlich früher über andere Wege vorangebracht...


    Ich werde jetzt umgekehrt mit dem einen oder anderen HB sprechen, um zu sehen, welche Möglichkeiten wir haben. ST für die Heizung ist mir auch Platzverschwendung auf dem Dach, aber das müssen wir jetzt einzeln abklären.

  • Moin zusammen - ich bin es nochmal,

    nach einigem Nachdenken und ein paar lehrreichen Gesprächen u.a. mit dem "Energie-Onkel" habe ich sailor773's Beitrag oben nochmal Revue passieren lassen. Dann fiel es mir auf:

    ber an Stelle einer Hybridheizung mit einer großen ST zur Heizungsunterstützung, die nach Förderungsbedingungen min. 25% der Jahresheizleistung abdecken muss, würde ich immer zumindest prüfen, ob an Stelle der ST nicht eine PV-unterstützte Wärmepumpe als Ergänzung zur Gastherme (oder sogar monovalent) die bessere Wahl ist.

    Das wird mein Anliegen beim HB werden. Der Energieverbrauch einer Wärmepumpe (gleich welcher Art) ist ja nicht unerheblich und wird (jedenfalls in diesem Fall) aus elektrischer Energie bestritten. Die wiederum kann ich doch aus der BZ beziehen, oder nicht? Damit die Heizung förderfähig wird, müsste sie hybrid sein und zu 25%, also mit ca. 4kW Nennleistung aus einer Wärmepumpe gefüttert werden. Wenn mich meine Überschlagsrechnung nicht im Stich lässt, sind das mindestens nochmal 1 MWh/a, eher 2 MWh/a Stromverbrauch, die ich über die BZ selbst herstellen & verbrauchen kann.


    Könnt Ihr mir bitte kurz ein Realitäts-Feedback geben? Die Kombi erscheint mir sehr sinnvoll, sprechen da andere Erwägungen gegen?

  • Der Energieverbrauch einer Wärmepumpe (gleich welcher Art) ist ja nicht unerheblich und wird (jedenfalls in diesem Fall) aus elektrischer Energie bestritten. Die wiederum kann ich doch aus der BZ beziehen, oder nicht?

    Grundsätzlich kann man eine Wärmepumpe natürlich mit Strom aus einer Brennstoffzelle betreiben. Nur ist dabei folgendes zu beachten:

    • Die elektrische Leistung einer Vitovalor ist viel zu gering, um eine WP allein zu betreiben, vom Strombedarf im Haushalt noch ganz abgesehen. Der größte Teil des WP-Stroms würde deshalb aus dem Netz kommen.
    • Im Winter kannst Du eine WP mit den bei Dir herrschenden Vorlauftemperaturen kaum wirtschaftlich betreiben. Im Sommer ist der Wärmebedarf schon für ein Durchlaufen der Brennstoffzelle zu gering. Wenn Du jetzt noch eine WP dazu schaltest, läuft die BZ gar nicht mehr, und anstatt Strom für den Eigenverbrauch herzustellen, beziehst Du auch noch für die WP zusätzlichen Strom aus dem Netz.
    • Eine WP ist auch mit Förderung nicht gerade billig. Dass sich so eine Konstruktion in Deinem Fall auch nur ansatzweise rechnen könnte, halte ich für ausgeschlossen.

    Mit meinem Beitrag meinte ich genau das, was drin steht: Eine Brennstoffzelle kommt aus wirtschaftlichen Gründen bei Dir nicht in Frage, und das würde sich durch das Hinzufügen einer weiteren sehr teuren Komponente (WP) nicht ändern. Es geht also nur noch darum, welche Alternativen in Frage kommen.


    An Stelle der (förderfähigen, aber in meinen Augen suboptimalen) Hybridheizungs-Kombination "Gastherme plus großer ST-Anlage" solltest Du prüfen, ob nicht stattdessen eine (ebenso förderfähige) Hybridheizung aus "Gastherme plus Wärmepumpe" in Frage kommt. Hier könnte eine (dann relativ klein ausgelegte) WP sechs bis acht Monate im Jahr den Wärmebedarf allein decken. In den vier Wintermonaten würde die Gastherme den Betrieb übernehmen. Wenn dann noch eine PV-Anlage hinzu kommt (was nur möglich ist, wenn die verfügbare Dachfläche nicht mit ST-Kollektoren zugestellt ist), könnte diese im Sommerhalbjahr einen wesentlichen Teil des Stromverbrauchs nicht nur im Haushalt, sondern zusätzlich auch für die WP abdecken. Im Winter soll die WP sowieso kaum laufen, deshalb schadet es nichts, dass sie dann a) einen schlechten Wirkungsgrad hätte und b) mangels verfügbaren PV-Stroms mit Bezugsstrom laufen müsste.

    Viessmann Vitotwin 300-W (1 kWel, 6 kWth) seit 2012

    PV-Anlage 8,45 kWp (65 x Solarworld SW 130poly Ost/Süd/West, SMA 5000 TL und 3000) seit 2010

    Solarthermie Viessmann Vitosol 300 Vakuumröhren 13,8 qm (Vorgänger Flachkollektoren 14 qm 2004-2021, davor 8 qm 1979-2003)