Auslegung BHKW und Wirtschaftlichkeitsberechnung

  • Hallo liebes Forum,


    im Zuge meiner Abschlussarbeit lege ich für ein Industrieunternehmen ein BHKW aus. Um die Größe/Wärmeleistung des BHKW´s zu bestimmen habe ich bereits die Jahresdauerlinie aus den stündlichen Werten des Erdgasverbrauches erstellt (siehe Anhang). Nun habe ich diese Daten bereits an ein BHKW-Unternehmen gesendet und die empfehlen mir tatsächlich ein BHKW mit einer thermischen Nutzleistung von 109 kW. Meiner Meinung nach ist das viel zu groß oder irre ich mich da? Die Vollbenutzungsstunden des BHKW´s sind doch für einen wirtschaftlichen Betrieb viel zu gering.


    Meine zweite Frage wäre in Bezug auf die Wirtschaftlichkeistberechnung des BHKW´s. Dieses wird normalerweise mit der Annuitätsmethode der VDI 2067 berechnet. Diese wird jedoch auch in der VDI 6025 beschrieben und die Formel unterscheiden sich in gewisser hinsicht. Meine Frage ist daher welche Richtlinie/Formeln sollte daher verwendet werden.


    Hoffe es kann mir jmd weiterhelfen.


    Viele Grüße


    bastinho

  • Hallo bastinho,


    grundsätzlich kann man nicht pauschal sagen, wie viele Stunden ein BHKW laufen muss, damit es wirtschaftlich betrieben wird. Durch eine reine Betrachtung des Wärmebedarfs ist eine Wirtschaftlichkeitsberechnung jedoch leider nicht möglich.


    Ich sehe ein BHKW mit 109 kW thermischer Leistung sehr kritisch. (Ich gehe einfach davon aus, dass ein BHKW mit ca. 68 kW el. Leistung angeboten wurde) Dabei sehe ich nicht die Dimensionierung des BHKW, sondern die wirtschaftliche Betrachtungsweise. BHKW-Anlagen über 50 kW el. Leistung werden nur über 30.000 Betriebsstunden durch den KWK-Zuschlag gefördert. Ein BHKW mit bis zu 50 kW elektrischer Leistung wird über 10 Jahre gefördert.


    Gerne erstellen wir Ihnen auch eine Berechnung, wenn die nötigen Daten nachgereicht werden.


    Mit freundlichen Grüßen


    Florian Lutz

  • Hallo bastinho,


    ich lese hier im Forum schon länger mit. Dieses Thema motiviert mich dazu, auch selbst mal meine Meinung kundzutun.


    Herr Lutz hat Recht. Die Wirtschaftlichkeit eines BHKW lässt sich ohne Angaben zum Strombedarf (und einigen weiteren Angaben) nicht berechnen. Auch die Anzahl der Betriebsstunden ist maximal ein kleiner Anhaltspunkt für die Wirtschaftlichkeit eines BHKW. Es gibt genügend Beispiele, in denen ein BHKW mit 3000 Bh/a wirtschaftlich betrieben wird. Im Gegensatz dazu, muss ein BHKW mit mehr als 8000 Bh/a nicht automatisch sinnvoll sein.


    Ich habe mir erlaubt, Ihren Lastgang in unsere Software zu importieren, um zumindest festzustellen, in welche Richtung es, in Anbetracht der vorliegenden Informationen, geht. Beim Strom habe ich einen Bedarf von 0 kWh/a angenommen ("worst case" für die Wirtschaftlichkeit von KWKG-geförderten BHKW-Projekten, da voll eingespeist werden muss).


    Am wirtschaftlichsten wäre demnach ein BHKW mit 50kW elektrisch und 100kW thermisch.
    Die von Herrn Lutz angesprochene "magische 50kW-Grenze" greift bei dieser Wärmebedarfsmenge voll und ganz.
    Rein technisch ist die Auslegung des Herstellers sicher nicht falsch, der Unterschied in den KWK-Förderungen von Anlagen bis 50kW el. zu Anlagen über 50kW el .ist jedoch so enorm, daß es in diesem Projekt, wirtschaftlich gesehen, auf ein BHKW mit maximal 50kW el. hinauslaufen wird.


    Im Anhang sehen Sie den Betrieb des oben genannten BHKW anhand ihres Lastgangs. Bitte beachten Sie dabei, daß in unserer Software der BHKW-Betrieb vorzugsweise anhand des realen Bedarfsverlaufs simuliert wird. Nur so lassen sich verlässliche Aussagen über den, für die Wirtschaftlichkeit wichtigsten Betriebswert, "Strom Selbstverbrauch" treffen.


    Erfahrungsgemäß wird bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen anhand von Jahresdauerlinien, der Anteil des selbstverbrauchten Stroms in der Regel deutlich überschätzt. Durch die Sortierung der Werte, wird zum Wärmebedarf eines bestimmten Zeitpunkts auch immer "passend" ein Strombedarf angenommen wird (Stunde des höchsten Wärmebedarfs=Stunde des höchsten Strombedarfs, Stunde des zweithöchsten Wärmebedarfs=Stunde des zweithöchsten Strombedarfs, etc.).
    In der Realität tritt dieser Fall aber so nicht ein, was eine Wirtschaftlichkeitsberechnung auf dieser Basis nur wenig aussagekräftig macht.


    Wollen Sie ernsthaft die Wirtschaftlichkeit eines BHKW berechnen, so sollten Sie besser auf die Betrachtung von Jahresdauerlinien verzichten.


    Viele Grüße und viel Erfolg bei der Abschlussarbeit


    Christian Erfurth

  • Vielen Dank erstmal für die schnellen Antworten :) .

    Herr Lutz hat Recht. Die Wirtschaftlichkeit eines BHKW lässt sich ohne Angaben zum Strombedarf (und einigen weiteren Angaben) nicht berechnen. Auch die Anzahl der Betriebsstunden ist maximal ein kleiner Anhaltspunkt für die Wirtschaftlichkeit eines BHKW. Es gibt genügend Beispiele, in denen ein BHKW mit 3000 Bh/a wirtschaftlich betrieben wird. Im Gegensatz dazu, muss ein BHKW mit mehr als 8000 Bh/a nicht automatisch sinnvoll sein.



    Ich hab die Jahresdauerlinie des Strombedarfs angehängt. Welche Angaben bräuchte ich den um die Wirtschaftlichkeit zu berechnen und Ist das überhaupt als "Laie" möglich? Sollte des ja in meine Abschlussarbeit reinpacken. Ich hätte es nämlich gern nach der Annuitäts- und Kapitelwertmethode berechnet.


    Vorhandene Daten: Kosten Erdgas ca. 4,3 ct/kWh, Strom ca. 14,9 ct


    Vielen Dank für die Unterstützung :)


    Beste Grüße bastinho

  • Hallo Bastinho,


    der Stromlastgang und die Angaben zu den Preisen genügen bereits, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten.


    Interessanterweise ist ihrem Fall, aufgrund des immensen Strombedarfs, eine deutliche höhere BHKW-Auslegung (140/212) wirtschaftlicher. So erzielt das BHKW zwar "nur" ca. 3500 Vollbenutzungsstunden jährlich, deckt aber dafür einen großen Teil des Strombedarfs.


    Weitere Annahmen, die in diesem Beispiel getroffen habe:
    bisheriger Kessel: Erdgas, 94,5% Norm-Nutzungsgrad(Hu), fungiert im BHKW-Betrieb als Spitzenlastkessel
    Preissteigerung Erdgas: 1,5% jährlich
    Preissteigerung Strom: 2%jährlich
    Steigerung Wartungskosten: 2% jährlich
    6000 l Pufferspeicher
    BHKW läuft wärmegeführt und kann modulieren
    Simulationszeitraum: 10 Jahre


    In der Simulation ist bereits die Belastung der kommenden EEG-Umlage auf selbstverbrauchten Strom (EEG-Novelle 2014) berücksichtigt. Es steht zwar in den Sternen, was und welcher Höhe zum 01.08.2014 umgesetzt wird, eine Betrachtung ist aber auch schon jetzt sinnvoll, da eine Belastung (in welcher Höhe auch immer) für BHKW-Betreiber mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.


    Aus diesem Grund finden Sie Anhang jeweils einen Kurz- und Langbericht für folgende zwei Fälle:
    1. BHKW wird vor dem 01.08.2014 in Betrieb genommen (hier im Beispiel am 25.02.2014)
    2. BHKW wird am oder nach dem 01.08.2014 in Betrieb genommen


    Sie werden schnell sehen, welch enorme Auswirkungen die derzeit geplante Belastung durch die EEG-Umlage, auf die Wirtschaftlichkeit eines BHKW hat. In Ihrem Fall bedeutet das ca. 30% weniger Ersparnis bei 10 Jahren Laufzeit, wenn die Anlage nicht vor dem 01.08.2014 in Betrieb genommen wird.


    Dieser Umstand ist bestimmt auch ein gutes Thema für Ihre Abschlussarbeit, da brandaktuell und medienpräsent.


    Eine Betrachtung nach Annuitäten- bzw. Kapitalwertmethode sollte anhand der Daten in den Berichten kein Problem darstellen.


    Selbstverständlich können Sie bei uns auch eine kostenlose Testversion der Software anfordern (siehe Link in meiner Signatur). Diese Testversion ist allein zeitlich und nicht funktional beschränkt. So können Sie nach Herzenslust Szenarien für Ihr Projekt durchspielen und Vergleiche anstellen.


    Viele Grüße


    Christian Erfurth

  • Wow super vielen Dank :thumbup: . Hab gleich mal die Testversion angefordert. Die Annahme der Berechnung passen auch schon sehr gut für meine Berechnung. Auf Basis der letzten 10 Jahre habe ich für die Energieträger folgende Preissteigerungsfaktoren ermittelt:


    Preissteigerung Erdgas: 1,5053% jährlich
    Preissteigerung Strom: 7,9433%jährlich
    Nun hätte ich allerdings noch zwei Fragen. In meiner Arbeit soll ich auch die Möglichkeit einer Kombination aus BHKW und Absorptionskältemaschine betrachten und am Ende bewerten welche Variante wirtschaftlicher ist (BHKW oder BHKW mit AKM). Ist dies auch mit der Testversion möglich. Und wie bekomme ich auf die Größe der AKM bzw. wie hängt diese mit der thermischen Leistung des BHKW´s zusammen? Ich hab mal im Anhang den Kühllastverlauf (nach VDI 2078 berechnet) der untersuchten Räume angehängt. Mit der AKM sollte wenn möglich ein Großteil abgedeckt werden.


    Die zweite Frage wäre bezüglich der EEG-Umlage. Diese habe ich bisher außen vor gelassen, da nur BHKW´s, die mit regenerativen Energieträger angetrieben werden, gefördert werden. Oder sehe ich das falsch? Da aber bereits ein Erdgasanschluss vorhanden ist, wäre doch ein erdgasbetriebenes BHKW sinnvoller.


    Grüße


    Sebastian

  • Hallo bastinho,


    bei der EEG-Umlage muss man 2 verschiedene Dinge unterscheiden.


    1) EEG-Umlage: Diese wird aktuell diskutiert und es besteht ein Gesetzesentwurf. Näheres dazu finden Sie auch in unserem offenen Brief: Link
    Kurz zusammengefasst: Für den erzeugten und selbst genutzten BHKW-Strom soll eine EEG-Umlage bezahlt werden. Wie und ob dieses Gesetz zum Beschluss kommt, kann aktuell noch keiner sagen.


    2) EEG-Vergütung: Hierbei handelt es sich um eine Vergütung des Stroms nach dem EEG. Diese Förderung steht dem Betreiber beim Einsatz von Bio-Gas bzw. auch Biomethan zu. In Ihrem Einsatzfall ist dies jedoch nicht relevant, da im Betrieb sehr viel Strom selbst genutzt werden kann.


    Mit smarten Grüßen


    Florian Lutz

  • Hallo Herr Lutz,


    vielen Dank für die schnelle Antwort. Jetzt verstehe ich es. Pro selbstgenutzte kWh müsste eine EEG-Umlage von 4,37 ct gezahlt werden und bei bereits vor August 2014 in Betrieb gegangenen KWK-Anlage lediglich 1ct/kWh. Was sich die Herren und Damen da oben alles ausdenken :thumbdown: .


    Beste Grüße


    Sebastian

  • Das Wort "müsste" spielt hier eine sehr große Rolle. Aktuell gibt es noch keinen Beschluss zu dem Thema.
    Die EEG-Umlage auf Bestandsanlagen ist in unseren Augen sehr Fragwürdig, das sollte jetzt aber hier nicht zum Thema werden. Dazu gibt es schon einen eigenen Thread.


  • Preissteigerung Strom: 7,9433%jährlich


    Gewisse Trendbetrachtungen liefern zwar solche Ergebnisse, doch bei einer derartigen Steigerung würde sich der Preis in den nächsten Jahren mehr als verdoppeln. Ob so etwas eine realistische Annahme sein kann, wird niemand genau sagen können ("Glaskugel"-Problematik ;) ). Gefährlich wird es bei Wirtschaftlichkeitsberechnungen von BHKW, wenn die angesetzte Steigerungsrate des Strompreises für den Großteil der berechneten Ersparnis verantwortlich ist. Falls dann die erwartete Strompreissteigerung ausbleibt, wird es Probleme beim Kunden geben, der von seiner prognostizierten Wirtschaftlichkeit nicht mehr viel sieht.



    In meiner Arbeit soll ich auch die Möglichkeit einer Kombination aus BHKW und Absorptionskältemaschine betrachten und am Ende bewerten welche Variante wirtschaftlicher ist (BHKW oder BHKW mit AKM). Ist dies auch mit der Testversion möglich. Und wie bekomme ich auf die Größe der AKM bzw. wie hängt diese mit der thermischen Leistung des BHKW´s zusammen? Ich hab mal im Anhang den Kühllastverlauf (nach VDI 2078 berechnet) der untersuchten Räume angehängt. Mit der AKM sollte wenn möglich ein Großteil abgedeckt werden.


    Die Abbildung von Kälteanlagen ist möglich. Mithilfe der Funktion "Lastganggenerator" kannst Du Dir auch einen eigenen Kältejahresverlauf (über Kühlgradtage und Wetterdaten im Programm gelöst) erstellen. Interessanter ist die Kälte-Thematik in deinem Fall, da durch Verdrängung der Kompressionskältemaschine auch der Strombedarf niedriger und der Wärmebedarf höher werden wird. Eine Änderung des Verhältnisses vom Wärme- zum Strombedarf wird das Ergebnis der Auslegung und Wirtschaftlichkeit beeinflussen. In den meisten Fällen lohnt sich aber der Einsatz von Absorptions- & Adsorptions-Technik, wenn dadurch nicht der Strombedarf auf Minimum sinkt.
    Wie dies genau im Programm abzubilden ist, gehört hier aber nicht ins Forum, das klären wir besser telefonisch. Testversion mit Kontaktdaten ist verschickt...


    Die zweite Frage wäre bezüglich der EEG-Umlage. Diese habe ich bisher außen vor gelassen, da nur BHKW´s, die mit regenerativen Energieträger angetrieben werden, gefördert werden. Oder sehe ich das falsch? Da aber bereits ein Erdgasanschluss vorhanden ist, wäre doch ein erdgasbetriebenes BHKW sinnvoller.


    Den Aussagen von Herrn Lutz ist nichts hinzuzufügen.
    Wir möchten unseren Kunden die Möglichkeit geben, das Szenario "EEG 2014" zumindest durchspielen zu können. Das dieses Ansinnen exakt so verabschiedet wird, ist zwar so gut wie ausgeschlossen. Ungefähr in diese Richtung wird aber wohl leider gehen, wenn nicht noch etwas Außergewöhnliches passiert.

  • Hallo Herr Erfurth,


    vielen Dank für die weiterführenden Informationen. Ich werde mich im laufe der nächsten Woche bezüglich des Programms bei Ihnen melden (möchte dieses erstmal selbst kennenlernen).


    Hatte aber heute ein Treffen mit einer BHKW-Firma bei uns im Haus und die hat mir mitgeteilt, dass eine AKM aus platzgründen sehr wahrscheinlich nicht zu realisieren ist. Des Weiteren kann aus platzgründen auch nur ein BHKW mit max. 50 kW el installiert werden (Verfügbare fläche lediglich ca. 5X3 m für BHKW und Puffer).


    Mit besten Grüßen


    Sebastian